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Diagnose Demenz: Wenn die geistigen Kräfte nachlassen

Demenzforum Fulda hilft Betroffenen und ihren Angehörigen bei der Alltagsbewältigung

von Patricia Bickert, Künzell
 

Die demografische Entwicklung der Bundesbürger macht auch vor dem Landkreis Fulda nicht halt. Aufgrund einer immer besser werdenden medizinischen Versorgung und positiv veränderter Lebensbedingungen erreichen viel mehr Menschen ein Alter jenseits der 80. Es liegt in der Natur der Sache, dass damit nicht nur körperliche Leistungen, sondern auch das Gedächtnis nachlassen kann. Doch nicht nur das fortgeschrittene Alter ist die Ursache für schlechtere Gedächtnisleitungen. Vielmehr haben demenzielle Erkrankungen in der Gesellschaft insgesamt zugenommen. Der Bedarf an professioneller Hilfe ist schon heute sehr hoch und nimmt weiter zu, sagen Experten. Dies hat nicht nur gesellschaftspolitische, sondern auch soziale Auswirkungen, die von Betroffenen und deren Angehörigen alleine meist nicht zu bewältigen sind. Bei der Bewältigung des Alltags von Demenzkranken sind Beratung, Unterstützung und Betreuung unabdingbar geworden.

Vor diesem Hintergrund wurde durch Initiative von Stadt und Landkreis Fulda Anfang 2013 das Demenzforum Fulda gegründet, das als offenes Forum für Selbsthilfegruppen, Pflegeheime, ehrenamtlich Tätige, Ärzte, ambulante Pflegedienste und private Betreuungsanbieter seine Arbeit aufgenommen hat. Jeder, der mit dem Thema Demenz zu tun hat, kann sich einbringen. So nutzen auch viele Tagespflegeeinrichtungen, Wohlfahrtsverbände und Vereine, aber auch die Caritas und die Krankenhäuser der Region die Möglichkeit, sich innerhalb des Demenzforums auszutauschen, das Thema Demenz in die Öffentlichkeit zu bringen, sich fortzubilden sowie Erkrankte und Angehörige zu ermutigen, frühzeitig Hilfe in Anspruch zunehmen.

„Derzeit beteiligen sich etwa 40 Institutionen am Demenzforum. Für die Erweiterung der Expertise und den Informationsaustausch auf diesem Gebiet ist dieses Forum eine große Chance“, erklärt die verantwortliche Koordinatorin beim Landkreis Fulda, Maritta Jäger. „Wir sind offen für alle Anfragen und nehmen gerne weitere Interessierte auf.“ Alle vier bis sechs Wochen treffen Teilnehmer in vier Arbeitsgruppen, die sich beispielsweise mit medizinisch-pflegerischen Inhalten, gesetzlichen Regelungen oder Hilfs- und Entlastungsangeboten beschäftigen. Zweimal im Jahr kommt das große Plenum zusammen, um sich mit aktuell relevanten Themen zu beschäftigen, sich auszutauschen und neueste Erkenntnisse und Informationen zu teilen, damit Betroffene und deren Angehörige kompetente Anlaufstellen für Beratung und Unterstützung vorfinden. Auch Grundsatzentscheidungen obliegen dem großen Plenum und werden von einer Steuerungsgruppe vorbereitet.

So steht auch der Pflegestützpunkt im Zentrum Vital am Gerloser Weg in Fulda, einer Kooperation der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Hessen und dem Landkreis Fulda, seit Dezember 2010 der Bevölkerung aus der Region bei Fragen rund um Pflege und Versorgung zur Verfügung. Dessen Mitarbeiter Martin Kersting ist mit seiner Beratungsstelle ebenfalls im Demenzforum aktiv. „Wir informieren, beraten, vermitteln und koordinieren auf Wunsch die erforderliche Hilfe für Erkrankte und deren Angehörige. Uns ist es besonders wichtig, dass diese Unterstützung einen seriösen Hintergrund hat. Alle im Demenzforum engagierten Personen und Institutionen sind bekannt und decken unterschiedlichste Anforderungen ab. Zwar kann man im Internet Beratungsadressen, Foren und Inhalte finden, doch das Netz ersetzt in keinem Fall das persönliche Gespräch vor Ort“, weiß der Experte. Individuell zugeschnittene Vorschläge, die Weiterleitung an entsprechende Organisationen und Behörden – all diese Bedürfnisse können seiner Ansicht nach durch die optimale Vernetzung innerhalb des Demenzforums noch besser koordiniert werden.

Auch der Betreuungsverein VdK – Verein für Selbstbestimmung und Betreuung Osthessen im Sozialverband VdK Hessen-Thüringen e.V. – bietet ein breit gefächertes Angebot. Von der Übernahme gesetzlicher Betreuungen über die Information und Beratung demenziell Erkrankter und deren Pflegepersonen bis hin zu Informationsveranstaltungen zum Thema Vorsorgemaßnahmen reicht die Palette der Unterstützung. „Wir sehen uns als Anlauf- und Beratungsstelle für Betroffene, insbesondere, weil es immer mehr Alleinstehende gibt, die keine Kinder haben oder deren Partner gestorben ist und die andernfalls mit der Alltagsbewältigung überfordert wären“, sagt die Geschäftsführerin des VdK-Betreuungsvereins Fulda, Ingrid Michel. „Wir wollen, dass diejenigen in unserer Gesellschaft, die ihre Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können und auf Hilfe von außen angewiesen sind, gut betreut, aber nicht entmündigt werden.“ Durch die rechtlichen Instrumente wie Vorsorgevollmacht sowie Betreuungs- und Patientenverfügung könnten Menschen schon früh dafür sorgen, dass sie im Ernstfall nach eigenen Wünschen in der Lage seien, ihr Leben zu gestalten, weiß die erfahrene Beraterin. Für sie sind die schriftliche Fixierung der Wünsche des Patienten und das Erstellen eines Patiententestaments das Mittel der Wahl, die richtige Vorsorge zu treffen. Damit diese Form der Aufklärung flächendeckend gelingt, legt der VdK einen besonderen Fokus auf die Schulung von Berufsbetreuern und Ehrenamtlichen, aber auch auf die Entlastung von pflegenden Angehörigen.

Neben rechtlichen und abwicklungstechnischen Maßnahmen gibt es einen weiteren Aspekt im Umgang mit dem Krankheitsbild Demenz. Aufsicht, persönliche Betreuung und Zuwendung sowie körperliche Pflege von Erkrankten stellen viele Beteiligte vor große Herausforderungen. So sieht Angelika Rogowski, Diplom-Pflegewirtin und Pädagogin für Pflege- und Gesundheitsberufe, einen wesentlichen Faktor in der Schaffung von Freiräumen für pflegende Angehörige. Dafür hat die Geschäftsführerin von Herbstzeit e.V. – einem eingetragenen, gemeinnützigen Verein zur stundenweisen Betreuung demenziell Erkrankter in der häuslichen Umgebung – einen Pool ehrenamtlicher Betreuer und Betreuerinnen zur Verfügung, die mit regelmäßigen, qualifizierten Schulungen auf ihre verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet werden. „Wir sind von den Pflegekassen anerkannt und können unterstützen, wenn eingeschränkte Alltagskompetenzen eine dauerhafte Betreuung erforderlich machen“, erläutert Angelika Rogowski das Konzept. „Unsere Dienstleistungen sind als niedrigschwelliges Angebot anerkannt und wir können die erbrachten Leistungen bei gesetzlich Versicherten direkt mit den Pflegeversicherungen abrechnen.“

Sie ermutigt die Menschen, Leistungen, die ihnen zustehen, abzurufen und professionelle Hilfe für die Erleichterung des Alltags anzunehmen. „Ein großer Vorteil des Demenzforums ist die Möglichkeit, durch die interne Vernetzung der Anbieter untereinander Unterstützung zu leisten und interdisziplinär zu helfen. Wir wollen den Betroffenen Mut machen und das Gefühl von Hilflosigkeit mildern. Dazu entwickeln wir adäquate Angebote“, sagt die Pflegewirtin.

Einig sind sich die Beteiligten des Demenzforums, dass sowohl die öffentliche Hand als auch Unternehmen umdenken müssen. „Kommunen müssen heute generationenübergreifende Lebenswelten gestalten und Arbeitgeber nicht mehr nur die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf berücksichtigen“, sieht Kersting klare Notwendigkeiten. „Große Firmen gehen heute schon neue Wege und bieten ihren Mitarbeitern Arbeitsplätze an, die ihnen die notwendige Flexibilität ermöglichen, nicht nur Kinder, sondern auch Eltern oder Partner umfänglich zu betreuen.“ 

Die Aufgaben innerhalb des Demenzforums sind vielfältig. So werden beispielsweise Wohnungsbaugesellschaften darauf hingewiesen, dass viele ihrer älteren Mieter, deren Bedürfnisse sich durch körperliche Einschränkungen verändern, in ihren Wohnungen nicht barrierefrei leben können. „Wir helfen uns gegenseitig und profitieren von der Kompetenz des jeweils anderen“, zeigt Maritta Jäger die Stärken der Beteiligten auf. Ein großer Vorteil sei, dass die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Fulda seit Oktober 2013 eine Gedächtnissprechstunde anbiete, die mit ausführlichen Gesprächen und einer Reihe ausgewählter Tests die geistige Leistungsfähigkeit Erkrankter feststellen könne, aber auch organische Veränderungen des Gehirns untersuche. Dabei könne lasse sich schon in einem frühen Stadium feststellen, ob erforderliche Maßnahmen eingeleitet werden müssten oder ob eine medizinisch behandelbare Ursache vorliege, weiß Jäger aus Gesprächen mit den beteiligten Ärzten. 

Durch die unterschiedlichen Angebote und fachlichen Inhalte, durch intensive Schulungen und ständige Kommunikation der Institutionen, Organisationen und privaten Anbieter im Demenzforum Fulda können betroffene Menschen im Landkreis und der Stadt Fulda auf ein Netz kompetenter Ansprechpartner und Unterstützer zurückgreifen, Schließlich ist Demenz nicht nur eine persönliche Herausforderung für den Einzelnen, sondern wird immer stärker zur Herausforderung für die Gesellschaft.

 
 
 
Akteure des Demenzforums stellten sich am "Informationstag Demenz" an Infoständen mit
ihren Unterstützungs- und Entlastungsmöglichkeiten vor.
 
 
 
Großes Interesse zeigte das zahlreich erschienene Publikum an den Fachvorträgen beim Informationstag.
 
 
 
Sie machen sich stark für ein weiterhin lebenswertes Leben auch für demenziell Erkrankte:
(von rechts) Maritta Jäger (Landkreis Fulda), Martin Kersting (Pflegestützpunkt Landkreis Fulda),
Angelika Rogowski (Herbstzeit e.V.), und Ingrid Michel (VdK).
 
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Kontaktdaten:

Herr Martin Kersting
Telefon: 0661 / 6006-8782
E-Mail: Martin.Kersting
@landkreis-fulda.de

Termine & Veranstaltungen:
für pflegende Angehörige und betroffene Personen

 

Ebersburg: Gesprächskreis für Angehörige von Menschen mit Demenz, monatliches Treffen am 3. Montag des Monats, Generationentreff Alte Post, Am Gericht 3, 36157 Ebersburg-Weyhers, mit Christiane Hack (Alltags- und Demenzbegleiterin), Gruppe 1 (mit Betreuung der Erkrankten) 15:15- 17:15 Uhr, Gruppe 2 (nur pflegende Angehörige) 17:30 – 19:00 Uhr. Info und Anmeldung unter 06654-9175090 oder 0151-41412715.

Demenzangehörigengruppe im Bürgerzentrum, Aschenbergplatz 16 - 18, Fulda: Nächstes Treffen am 20.04.2023, 17.30 Uhr. Info bei Martin Kersting, Tel. 0661/6006-8782.

 


 

 

 

 

 
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– Rat und Hilfe für Menschen mit einer Demenzerkrankung und deren pflegende Angehörige –
Das DemenzForum-Fulda ist eine Initiative von der Stadt und dem Landkreis Fulda